Hochschulen sind für die Fraktion der Grünen in Sachsen "die Treibhäuser der Wissensgesellschaft".
Auf ihrer Webseite heißt es: "Da immer mehr Produkte und Dienstleistungen sind innovationsabhängig und lassen sich nur noch mit steigender Forschungsintensität entwickeln. Die Bedeutung von Studium und Lehre, von Forschung und Entwicklung wird weiter wachsen. Deshalb setzen wir uns für die Zukunftschancen von Universitäten und Fachhochschulen als Motoren der sozialen und ökonomischen Entwicklung in Sachsen ein."
Auf derselben Seite findet man aber auch: "Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag fordert die Beendigung der öffentlichen Finanzierung der Atomforschung aus dem sächsischen Haushalt." Der Grund dafür ist klar: "Wenn Deutschland aus der Atomenergie aussteigt, ist es doch aberwitzig, zwei Professuren mit sächsischem Steuergeld zu finanzieren, die weiter an der Nutzung der Atomenergie arbeiten", so Karl-Heinz Gerstenberg, hochschulpolitischer Sprecher der GRÜNEN-Fraktion. Insbesondere wirft er Prof. Antonio Hurtado (TU Dresden), dass er sich noch Mitte April für den Bau eines Kugelhaufenreaktors auf polnischer Seite des Dreiländerecks eingesetzt hatte (LVZ/DNN, 11.04.11). "Altes Denken sollte nicht weiter mit Steuergeld finanziert werden."
Was ist passiert? Ein grüner Abgeordneter fühlt sich in seiner Funktion als hochschulpolitischer Sprecher seiner Partei zu einem Urteil über die Kernenergie qualifiziert, die er als "altes Denken" bezeichnet. Um dieses Urteil abzugeben, müsste er den Forschungsstand der Kernphysik kennen. Ob er als Diplom-Ingenieur aus dem Bereich Informationstechnik, der nach eigenen Angaben ein paar Jahre als Entwicklungsingenieur für Schaltungsentwurf und Softwareentwicklung im Forschungszentrum Mikroelektronik Dresden gearbeitet hat, dazu in der Lage ist? Vermutlich nicht.
Mehr noch: Gerstenberg möchte am liebsten den gesamten Forschungszweig der Kernenergie aus den Hochschulen verbannen: "Aber ich sehe nicht ein, Dinge öffentlich zu finanzieren, die gesellschaftlich nicht gewollt sind." (Hervorhebung vom Verfasser). Woher weiß der Abgeordnete, was gesellschaftlich nicht gewollt ist? Legt der Beschluss der Bundesregierung über den Ausstieg aus der Atomenergie fest, was "gesellschaftlich gewollt" ist. Gefragt wurden die Menschen nicht. Der Beschluss kann also höchstens festlegen, was gesellschaftlich zu wollen ist, aber das wäre ja eine Diktatur.
Ein kurzer Blick zurück in wirklich altes Denken: War im Mittelalter das geozentrische Weltbild gesellschaftlich gewollt? Die Menschen wurden nicht gefragt, es genügte, dass der Pabst es wollte. Er sagte zum heliozentrischen Weltbild "nein". Die Dominikaner konnten sich mit ihrer Forderung durchsetzen, das heliozentrische System zu Gunsten des geozentrischen in jeder Hinsicht zu verbieten. Für das Erweitern der heliozentrischen Theorie wurde Galileo Galilei für die letzten Jahre seines Lebens sogar unter Hausarrest gesetzt. Am 17. April 1757, nachdem die Werke Isaac Newtons in der wissenschaftlichen Welt allgemein anerkannt waren, hob Papst Benedikt XIV. den Bann gegen Werke auf, die ein heliozentrisches Weltbild vertraten. Und erst jetzt, fast vierhundert Jahre nach Galileis Entdeckung, hat sich die Kirche entschuldigt und dem Wissenschaftler nachträglich Recht gegeben.
Im Jahr 2000 hatten sich bereits Dominikaner für die Inquisition entschuldigt und eine Erklärung (pdf) abgegeben.
Was kann ein grüner Abgeordneter daraus lernen? Unterdrückung der Wissenschaft funktioniert nur in Diktaturen. Und seinen Satz: "Ich stelle die Freiheit der Forschung nicht in Frage", so der Abgeordnete, sollte er der Ehrlichkeit wegen ergänzen: "... sofern ich der Meinung bin, dass sie gesellschaftlich zu wollen ist."
Abschließende Bemerkung zum Abgeordneten Gerstenberg: Altes Denken wird offenbar mit Steuergeld finanziert.
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